Der Dachstein - ihre Majestät lässt bitten
Das stolzeste Schaustück der Nördlichen Kalkalpen
Zwischen zwei Schnäpsen kramt ein alter Bergführer bei einem abendlichen Plausch auf der Simonyhütte in seinen Dachsteinerinnerungen. „Drei Meter tief war die Gletscherspalte und fünf Stunden hab ich schon probiert, da herauszukommen!" Alles lauscht gespannt. „Ich war ganz allein, niemand hat mir helfen können. Die Eiswand war so steil und glatt, dass ich unmöglich aufikönnen hab. Also hab ich um Hilfe geschrien, aber es hat mich keiner ghört. Jetzt ist`s auch noch finster wordn. Meine Händ und meine Füaß hab ich schon nimmer gspürt..."
Irgendwann, denkt der Zuhörer, muss jetzt doch die Wendung zum Guten kommen, sonst säße er ja nicht mehr da, der mutige Mann, der dieses Abenteuer zu bestehen hatte.Aber es kommt nicht, das Happy-End dieser Geschichte. Der Bergführer erzählt munter drauflos, er schmückt jedes Detail aus, aber er kommt und kommt nicht auf den Kern der Sache. Bis einer in der Zuhörerrunde die Geduld verliert und fragt: „Na und wie sind Si8e denn gerettet worden?"
"Gerettet?" kommt die Frage erstaunt zurück. „Gerettet hat mich niemand. Aber mir ist eingefallen, dass auf der Simonyhütte a Leiter is. Die hab ich mir halt dann geholt...!" Man darf nicht alles glauben, was Bergführer so erzählen.
Eine Leiter allerdings - und damit kommen wir endlich zum ernsten Teil des Dachstein-Kapitels - hat in der Geschichte des Dachsteins tatsächlich eine Rolle gespielt. Lange bevor die Simonyhütte erbaut wurde, ließ der Mann, dessen Namen sie trägt, bei der Dachstein-Randkluft eine Holzleiter aufstellen. Manchmal ist diese Stelle, wo zwischen Hallstätter Gletscher und dem steilen Fels der Nordostflanke des Hohen Dachsteins häufig eine gefährliche Spalte klafft, gänzlich ungangbar. Bei Übersetzungen der Kluft verwendete man deshalb eine Leiter, die später auf der Dachsteinwarte aufbewahrt und von dort immer herbeigeholt werden musste.
1878, ein Jahr nach der Eröffnung der Simonyhütte, wurde, um der Randkluft auszuweichen, mit Eisenzapfen und Schiffstauen ein Felsenanstieg über die Dachsteinschulter geschaffen. Wer heute auf den Dachstein will, kann das bequemer haben als auf dem klassischen Anmarschweg von Hallstatt über die Simonyhütte und den Hallstätter Gletscher. Trotzdem: Bei tausend Urlaubern, die davon schwärmen, dass sie auf dem Dachstein waren, sollte man 999mal zweifeln. Die meisten Touristen, die in eine der Gondeln der Dachstein-Seilbahnen eingestiegen sind, in einem der Bergrestaurants speisen und anschließend in einem Liegestuhl Gletscherbräune tanken, erklären guten Gewissens: Wir waren auf dem Dachstein! Sind wir nicht ungerecht. Gar so unrichtig ist das gar nicht.
Denn zum Dachsteinmassiv gehören auch die mit der Seilbahn zu erreichenden Berge: Die Schönbergalm (Ausgangspunkt zu Eis- und Mammuthöhlen), der Krippenstein, die Gjaidalm, die Zwieselalm, der Hunerkogel. Mit einem lachenden und einem weinenden Auge vermerkt der Österreicher die Erschließung des Dachsteins durch die Seilbahnen. Massentourismus im Hochgebirge, seufzen die einen. Ein Land wie Österreich kann es sich einfach nicht leisten, die Chancen des Fremdenverkehrs nicht auszunützen, argumentieren die anderen. König Dachstein lächelt über diesen Streit. In seinem Reich ist Platz für alle: für die Gipfelstürmer und Halbschuhtouristen, Kletterakrobaten und Wanderratten, Einsamkeitsfanatiker und Ansichtskartenschreiber. Keiner der vielen Gipfel und Grate, Zinnen und Zacken des Dachsteingebirges ist unbezwungen. Deswegen hat der Dachstein jedoch nichts von seiner Erhabenheit eingebüßt.
Wer die Einsamkeit sucht, kann sie in der Unendlichkeit des Dachsteinmassivs finden. Ob man mit Steigeisen und Pickel auf den Dachstein will oder ob man ihn durch das Fenster eines Bergrestaurants betrachtet, der Dachstein bleib auch in unserem Jahrhundert das, was er für die ersten Dachstein-Pioniere war: Das stolzeste Schaustück der Nördlichen Kalkalpen. Oberösterreichs schönster ist auch Oberösterreichs höchster Berg. Über seine genaue Höhe allerdings streiten sich die Gelehrten und Fremdenverkehrsleute.
Zwischen 2993 und 3005 schwanken die Angaben. Manche begründen das mit dem unterschiedlichen Niveau der Meere, von denen aus die Messungen erfolgten, andere wieder halten sich mit Begründungen überhaupt nicht auf und sprechen kurzweg vom „Dreitausender". Für den Dachsteinort Hallstatt bleibt der Dreitausender allerdings unsichtbar. Wer das stolzeste Schaustück der Nördlichen Kalkalpen bestaunen will, muss auf einen der Nachbarberge oder in einen der Orte, die weiter entfernt sind vom Dachstein als Hallstatt.
Für die Hallstätter ist der Dachstein jedoch nicht nur der Berg, der in ihrem Gemeindegebiet liegt. Es ist der Berg, der die ersten Touristen nach Hallstatt brachte; von Hallstatt aus wurde der Dachstein erschlossen. Seit Generationen sind die Hallstätter mit dem Dachstein schicksalshaft verbunden. Fast in jeder Hallstätter Familie gibt es einen Bergführer, einen Bergrettungsmann oder zumindest einen Bergsteiger. Und in den Wirtshäusern werden nicht die Fernsehkrimis vom Vorabend diskutiert, sonder die Erfahrungen und Erlebnisse mit dem Dachstein. Die Geschichten, die hier erzählt werden, sind auch wahr. Wo jeder Zuhörer den Dachstein ebenso gut kennt wie der Erzähler hört sich das Bergsteigerlatein auf. Viele dieser Männer haben zehn-, zwanzig-, ja sogar fünfzigmal ihr Leben eingesetzt, um anderen das Leben zu retten.
Der Todesmarsch am Karfreitag
Und je leichter es wird, auf den Dachstein zu kommen, desto mehr werden seine Gefahren unterschätzt. Es ist kein Zufall, dass das traurigste Kapitel in der Geschichte des Dachsteins nicht in der Zeit der Erstbesteigung geschrieben wurde, sondern in der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts. Zehn Kinder und drei Lehrer haben am Karfreitag des Jahres 1954 ihr Leben lassen müssen, weil die Gefahren der Berge unterschätzt wurden, weil man außer acht ließ, dass das Hochgebirge für einen Fitnessmarsch ungeeignet ist.
Kaum einer, der von der Seilbahnstation oder von einem der ungefährlichen Wanderwege aus auf den Dachstein blickt, mach sich eine Vorstellung von der Größe dieses Gebietes. Eine Meldung aus jüngster Zeit: Obwohl Neuschnee gefallen war, wollten zwei Familien, unter ihnen vier Kinder, auf Skiern über den Dachsteingletscher. „Nur die Tatsache, dass es zu schneien aufgehört hatte und die Nacht sternenklar war, machte es möglich, dass die Skifahrer nach einem mehr als 16 Stunden dauernden Marsch gestern um drei Uhr früh unversehrt eine Schutzhütte erreichen konnten", stand in den Zeitungen.
Wenn einer nicht weiß, was er sich zutrauern kann, ist daran nicht der Dachstein schuld. Das Dachsteinmassiv hat Touren aller Schwierigkeitsgrade in seinem Repertoire. Bequeme und gänzlich ungefährliche Wanderwege, Gletscherüberquerungen, Kletterpartien, Tagesmärsche.
Mehr als zweitausend Anstiege gibt es, wurde nicht nur ausgerechnet, sondern auch ausprobiert. Wer hätte sich das träumen lassen im vorigen Jahrhundert, als die Eroberung der Alpen überall mächtig einsetzte und auch der Dachstein die kühnen Bergpioniere herausforderte? Manche hielten eine Dachsteinbesteigung für unmöglich.
Nicht irgendwelche Flachländler, sondern bergerfahrene Männer. Der prominenteste der Pessimisten war Franz Joachim Ritter von Kleyle, der ständige Bergbegleiter des alpinistisch erfolgreichen Erzherzogs Johann. Er prophezeite 1810, also in einer Zeit, als Montblanc und Großglockner, Watzmann und Ortler längst bezwungen waren, dass alle Versuche, den Dachstein zu besteigen, „wahrscheinlich immer missglücken werden, weil selbst da, wo die Form des Gebirges kein Hindernis in den Weg legt, die Eilklüfte das Aufsteigen zu gefährlich machen".
Der erste Werbetexter für das Salzkammergut
Ganz anders als dieser Hofrat Franz Joachim Ritter von Kleyle der fast gleichaltrige Mediziner, Botaniker und Alpenschriftsteller Joseph August Schultes, der vierzehn Jahre hindurch Oberösterreich bereiste und darüber amüsante Berichte schrieb. Er war, was Sie vielleicht aus den vorhergehenden Kapiteln noch in Erinnerung haben, mehrmals in Hallstatt und unternahm auch schon im Jahr 1804 eine „Excursion auf den Glätscher am Dachsteine". Sie hat bei ihm „unauslöschliche Bilder" zurückgelassen. Schließlich gipfelt die Begeisterung dieses ersten Werbetexters für das Salzkammergut in einem prophetischen Satz: „Ich umarme Sie, und alle, die nach mir den Dachstein besteigen, im Geiste!"
Erzherzog Johann wollte auf den Gipfel
Erst sieben Jahre später hat Erzherzog Johann „mit größten Aufmerksamkeit diesen höchst interessanten Gebirgsstock" betrachtet und wieder sechs Jahre später wurden dann „auf Veranlassung Sr. kaiserl. Hoheit ernste Anstalten getroffen, den Gipfel zu ersteigen, da Höchstderselbe selbst sodann diese Ersteigung vorzunehmen gedachte."
Erstbesteigung im Alleingang
Nicht Seine kaiserliche Hoheit allerdings stand als erster auf dem Gipfel des Hohen Dachsteins, sondern ein Bauer und Bergführer aus Filzmoos: Der damals 43jährige Peter Gappmayr hat 1832 als erster im Alleingang über den Gosaugletscher den Dachsteingipfel erreicht.
Die Dachsteinhöhlen
Viel später als die Höhen wurden die Tiefen im Dachsteingebirge entdeckt, wohin es heute alljährlich hunderttausend Menschen zieht. Von den rund 250 Dachsteinhöhlen, deren gewaltiges Ausmaß noch immer nicht restlos erforscht ist, sind drei durch bequeme Weganlagen erschlossen. Der Großteil der Besucher, strömt zur Dachstein-Rieseneishöhle sind begehrte Wanderziele. Ein Eisenbahner aus Linz (Georg Lahner) hatte 1910 die unterirdische Märchenwelt des Dachsteins aus dem Dornröschenschlaf geweckt. Keiner der Dachstein-Pioniere ist im Bewusstsein der Bevölkerung so lebendig wie Friedrich Simony (1813 bis 1896). Die Höhlenwelten heute - Mehr erlesen...
Friedrich Simony und der Dachstein
Mir Recht trägt die älteste und bekannteste Dachsteinhütte seinen Namen. Auf dem Weg von Hallstatt zum Wiesberghaus und zur Simonyhütte erinnert ein schlichtes Denkmal an diesen Mann, der 1840 nach Hallstatt kam und dessen Leben fortan für immer mit Hallstatt und dem Dachstein verbunden blieb. Er hat die Wege ausgebaut und den Gipfel in eiserne Fesseln gelegt. Er hat 1842 als erster den Dachstein im Winter bestiegen, er hatte im darauffolgenden Sommer den Ehrgeiz, eine Nacht auf dem Dachsteingipfel zu verbringen - und blieb eine Woche später eine weitere Nacht, diesmal ganz allein.
Adalbert Stifters "Bergkristall"
Simony war es, der Adalbert Stifter auf den Dachstein aufmerksam machte und damit den Anlass gab für die Erzählung „Bergkristell", mit der die Dachsteinlandschaft literarische Weltgeltung erlangte. "Das Dachsteingebiet, ein geographisches Charakterbild aus den österreichischen Nordalpen, nach eigenen photographischen und Freihandzeichnungen illustriert und beschrieben von Dr. Friedrich Simony, k. k. Hofrat und em. Universitäts-Professor" lautet der Titel des ein Jahr vor Simonys Tod fertiggestellten Monumentalwerkes über den Dachstein. Hier, auf dem Dachstein, schwelgte Simony „im Hochgenusse eines Sonnenunterganges auf dem läderbeherrschenden Felsenfürsten", hier wünschte er, sich „dem trügerischen Spiele der Luftgeister anheimzugeben und der Laune des Alpenkönigs Trotz zu bieten." Auf dem Dachstein wurden selbst die Wissenschafter zu romantischen Dichtern.
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